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Der deutsche Wald im Diskurs : Konfliktlinien und Rechtfertigungsordnungen zwischen Autonomie und Sorge

Meine Posterpräsentation umfasst Methode, Theorie und Ergebnisse einer von mir in der ersten Jahreshälfte 2024 durchgeführten Fallstudie. Das Projekt untersucht gesellschaftliche Diskurse zu Waldschutz und Waldwirtschaft in Deutschland anhand einer wissenssoziologischen Diskursanalyse (WDA). Anhand von 135 Zeitungsartikeln aus fünf großen überregionalen Tageszeitungen (BILD, SZ, FAZ, WELT, taz) im Zeitraum von Januar 2020 bis Juni 2024 werden zentrale Deutungsmuster und Konfliktlinien herausgearbeitet. Konkrete Ausgangspunkte waren dabei die Streitsituationen um die Nationalparks Harz und Bayerischer Wald, an denen sich grundsätzliche Fragen über den Umgang mit Wald als Natur- und Wirtschaftsgut manifestieren und beispielhaft aufzeigen lassen.
Die Analyse erfolgte in mehreren Kodierungsstufen: Induktiv wurden erste Begriffe und Akteurspositionen identifiziert, anschließend übergreifende thematische Muster erfasst und schließlich typische Ordnungs- und Klassifikationsprinzipien unter Rückgriff auf v.a. das theoretische Modell der Rechtfertigungsordnungen (Boltanski/Thévenot 2014) herausgearbeitet. Idealtypisch lassen sich vier zentrale Diskurse unterscheiden:
Autonomiebetonter Naturdiskurs – Wald wird als eigenständiges, widerstandsfähiges System betrachtet, das weitgehend sich selbst überlassen werden sollte.
Privatwirtschaftlicher Sorgediskurs – Private Waldbesitzer betonen ihre Rolle als aktive Gestalter der Waldökologie und fordern wirtschaftliche Unterstützung bei gleichzeitiger Zurückhaltung staatlicher Regulierung.
Technisch-pragmatistischer Sicherheitsdiskurs – Waldmanagement wird als technische Herausforderung betrachtet, bei der Risiken wie Brände oder Schädlingsbefall durch gezielte Eingriffe minimiert werden müssen.
Ideologiekritischer Katastrophendiskurs – Kritische Stimmen sehen die Umwelt- und Forstpolitik als von ideologischen Interessen gesteuert und betonen negative Folgen überzogener Schutzmaßnahmen.
Während einige Akteure für eine möglichst unberührte Waldentwicklung plädieren, sehen andere die nachhaltige Bewirtschaftung als zentrales Element des Waldschutzes. Diese Konfliktlinien sind eingebettet in größere gesellschaftliche Debatten über Klimaschutz, Eigentumsrechte und staatliche Eingriffe in die Landnutzung.
Das Projekt zeigt, dass Wälder nicht nur ökologische Räume, sondern Geflechte politischer, ökonomischer und ideologischer Sinngebungen darstellen, in denen konkurrierende Vorstellungen von Natur, Verantwortung und Koexistenz aufeinandertreffen.

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