Das Policy-Akteurs-Netzwerk im Gesetzgebungsprozess zum Vollzug von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam im Freistaat Sachsen

Die vorliegende Studie untersucht am Beispiel der Policy-Entwicklung zum Sächsischen Abschiebungshaftvollzugsgesetz (SächsAHaftVollzG) das Policy-Akteurs-Netzwerk der Rückführungs- und Abschiebungspolitik im Freistaat Sachsen. Anknüpfend an politikwissenschaftliche Diskurse zur Repräsentation schwacher Interessen beschreibt und erklärt diese Arbeit die Interessensvermittlungschancen und -erfolge sog. Advokatorischer-FlüchtlingsAkteure (AFA) relativ zu jenen der anderen Akteure. Theoretisch folgt die Studie Götzelmanns Netzwerkmodell (2010). Der qualitative Analyserahmen verknüpft Akteurs-Merkmale des Akteurszentrierten Institutionalismus von Mayntz und Scharpf (1995) mit der Einflusskonzeption des Kausalanalytischen Modells von Laumann, Kim und Knoke (1987). Durch Literatur-, Medienanalysen, halbstrukturierte mündliche und schriftliche Befragungen (2 Vertreter staatlicher Akteure ,4 Akteure des 3. Sektors, darunter die AFA Sächsischer Flüchtlingsrat/SfR und Jesuiten Flüchtlingsdienst/JRS) wurden 19 an der Policy-Entwicklung beteiligte Akteure ermittelt. Die Analyse der abhängigen Variable Einfluss erbrachte, dass das SächsAHaftVollzG insgesamt die Handschrift der CDU-SPD-Koalitionsregierung trägt und in hohem Maße Restriktionsgebote von Regierungs- und Verwaltungsexpertinnen (Ebene: andere Bundesländer, Bund) erfüllt. Die untersuchten AFA konnten nur geringfügige Verbesserungen der Haftvollzugsbedingungen erwirken (z.B. hinsichtlich Mobiltelefonnutzung, Hausordnung). Ihrer vehementen auch im EU-Recht verbürgten Forderung nach NGO-Zugang wurde von staatlichen Akteuren schließlich entsprochen (z.B. Sächsischer Ausländerbeauftragter, Stab Rückkehr des Bundesinnenministeriums, Sächsischer Landtag). Die Einschätzung der unabhängigen Variable Netzwerkposition anhand der allgemeinen Handlungs-, Interaktions-orientierungen und Ressourcen der Akteure ergab, dass staatliche Akteure am stärksten, Akteure des 3. Sektors und nicht-staatliche ExpertInnen mäßig, die AFA hingegen schwach im Netzwerk positioniert sein sollten. Die für eine schwache AFA-Netzwerkposition postulierten Indikatoren zeigten sich mit Einschränkungen auch in der Interaktionskonstellation zum SächsAHaftVollzG. Entgegen der Hypothese wies der JRS keine konfrontative Beziehung zur Sächsischen Staatsregierung auf. Dem SFR gelang es besser als erwartet, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Die Positionen von SfR und JRS wurden vor allem durch die parlamentarischen Minderheitsfraktionen der Linken bzw. Grünen vertreten, wobei der SfR im Unterschied zum JRS über relevante Verbindungen zu parlamentarischen Vertretern der Regierungsfraktionen oder zu Angehörigen der Staatsregierung verfügte. Er eröffnete sich damit frühe, wenn auch im Ergebnis unbedeutende, Einflusschancen auf das SächsAHaftVollzG. Beide AFA waren wie erwartet schwach mit den anderen Policy-Akteuren vernetzt, wobei sich der Effekt durch Ausschluss der Regierungs- und VerwaltungsexpertInnen abschwächt (AFA dann tendenziell mäßig vernetzt). Die Arbeit ermöglicht einen ersten Überblick über Charakteristika, Einflusschancen und -erfolge aller an der Policy-Entwicklung zum SächsAHaftVollzG beteiligten Akteure. Die detaillierte Darlegung und Kritik der eingesetzten qualitativen Forschungsmethodik legt den Grundstein für zukünftige in ihrer Güte gesteigerter Vergleichsstudien.

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