οὐκ ἀκριβῶς. Eine Untersuchung der Rolle der Genauigkeit in Aristoteles‘ wissenschaftstheoretischen Überlegungen
Der Begriff Akribeia umfasst im Altgriechischen ein weites Spektrum unterschiedlicher Bedeutungen: Sie kann die Gewissheit von Beweismethoden ebenso bezeichnen wie die Zuverlässigkeit von Berichten oder Reden. Die Akribeia empirischer Verfahren meint deren Genauigkeit; ja sogar als Eigenschaft der Dinge selbst findet der Begriff gelegentlich Verwendung. Obwohl Platon und die Sophistik die logische Methodenstrenge erfolgreich für das gesamte Feld des philosophischen Diskurses gefordert hatten, führte Aristoteles eine durchaus überraschende Einschränkung ein: Die praktische Philosophie (insbesondere die Ethik) könne der Forderung nach Exaktheit gar nicht genügen, da sie grundsätzlich gezwungen sei ouk akribos, also „nicht auf genaue Weise“ zu argumentieren! Diese Bachelorarbeit untersucht die neue Begriffsverwendung bei Aristoteles entlang seiner dreiteiligen Gliederung in hervorbringend-poietische, theoretische und praktische Wissenschaften. Wie zuverlässige wissenschaftliche Schlüsse in den praktischen und poietischen Disziplinen für Aristoteles dennoch möglich sind, soll ein Blick auf die Endoxa (als anerkannte und überprüfbare Bestimmungen) und auf die hos-epi-to-poly-Aussagen (die Ausnahmefälle zu Regeln erlauben, sofern diese wohldefiniert sind) zeigen. Die Aktualität von Aristoteles deuten einige ausgewählte Beispiele der Rezeptionsgeschichte der Akribeia im Schlusskapitel an, die die umfassende Mathematisierung und die methodische Einheit der Wissenschaften, den Determinismus, sowie die prinzipiellen Grenzen von Exaktheit betreffen.
The concept of akribeia in ancient Greek comprises a wide range of different meanings: It may designate validity of methods of proofs as well as reliability of accounts or orations. Akribeia of empirical experimental procedures means the precision of their execution; it is even occasionally used to denote a feature of things themselves. Although Plato and Sophism successfully claimed logical rigour of argument for the whole field of philosophical discourse, Aristotle introduced a quite surprising restriction of that claim: Practical philosophy (especially ethics) could not meet the requirement of precision at all because it is inherently forced to argue „ouk akribos“, i.e. „not accurately“! My thesis examines Aristotle‘s new use of the term following his partitioning of science into three disciplines: the producing-poetical, theoretical and practical disciplines. An examination of the endoxa (which are generally accepted and verifiable opinions) and of the hos-epi-to-poly-propositions (which admit exceptions provided that these are well-defined) reveals how Aristotle nevertheless is able to reach reliable scientific conclusions in practical and poetical fields of philosophy. In the final chapter some examples taken from the reception history of Akribeia may serve to point to Aristotle‘s timeliness. They deal with comprehensive mathematisation and the unity of method in sciences, with determinism and the fundamental limits of accuracy.
Preview
Cite
Access Statistic

Rights
Use and reproduction:
All rights reserved